Text: Katja Schulz
Fotos: U. Finck, K. Schulz
Unter Leitung von Jörg Mutterlose erkundeten wir mit rund 20 Fahrrädern den Raum Barsinghausen und dessen regionale geologische und wirtschaftliche Geschichte: Geologie und Wirtschaft sind aufgrund des Abbaus von Deisterkohle und Deistersandstein rund um den Höhenzug eng verbunden. Die Geologie prägt damit nicht nur die Geländeform, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung der Region im 19. und 20. Jahrhundert bis nach Hannover. So fährt noch heute die Bahnlinie Hannover–Barsinghausen auf der Strecke der alten Kohlebahn.
Stollenmundloch des „Eisenbahnstollens“ (Foto: U. Finck)
Die Radreise entlang des Deisters entwickelte sich zur Zeitreise in die Kreidezeit. Der Deister besteht aus einer Abfolge aus Sandstein und Tonstein (bzw. Tonschiefer) mit Kohlelagen (Flöze). Diese Gesteine wurden als Sedimente vor etwa 140 Millionen Jahren (Unterkreide) abgelagert. Der sogenannte Wealden- oder Deistersandstein wurde am Rande eines kreidezeitlichen Binnenmeeres gebildet. Hinweise hierauf sind Fossilien (z.B. Muschelschalen) und bestimmte Schichtungsmuster. Die Kohleschichten weisen auf einen lagunen- oder nehrungsartigen Vegetationsraum hin. Heute wird interpretiert, dass ein küstenparalleler Barrieresand zur Entwicklung eines sumpfähnlichen Bereichs führte, in dem sich organisches Material ablagerte. Da die feinkörnigeren Tonsteine auf ruhige See-/Meeresboden-Bedingungen schließen lassen, wird der Wechsel aus Sand- und Tonstein als Verschiebung der Küstenlinie und damit der Wassertiefe interpretiert.
Modernes Kirchenfenster der Stiftskirche Barsinghausen mit Bergbauthematik (Foto: Katja Schulz)
Der Deister, der Stemmer Berg, auch die Bückeberge und die Rehburger Berge folgen aufgrund der Verwitterungsbeständigkeit dem Vorkommen des Wealdensandsteins. Dass dieser Sandstein sowohl am Deister als auch weiter nördlich (beim Stemmer Berg) auftritt, ist auf eine Deformation der Erdkruste und Salzbewegung im Untergrund zurückzuführen. In der Deistermulde zwischen dem Deister und Stemmer Berg wurden weniger verwitterungsresistente Tonsteine, besonders durch die Eiszeiten, stärker erodiert.
Folgende Orte blieben mir besonders im Gedächtnis
Stopp 1: Mundloch des „Eisenbahnstollens“ (bei Egestorf). Hier wurde Deisterkohle mit bis zu rund 60 cm Mächtigkeit abgebaut. Die Deisterkohle war zwar nicht in vergleichbarer Mächtigkeit verfügbar wie im Ruhrgebiet, stellte aber dennoch eine Voraussetzung für die Industrialisierung Hannovers dar.
Stopp 6 + 8: Am Kloster Barsinghausen (mit Klosterkirchenführung) und am Rittergut Stemmen sind die Sandsteine der Region (Deistersandstein der Unterkreide, Cornbrash-Sandstein des Mittleren Jura) architektonisch vielfältig verbaut. Während das Rittergut Elemente der Weserrenaissance hat, wurde die Klosterkirche in einem romanisch-gotischen Übergangsstil errichtet.
Gruppenfoto an Thomaskirche Hohenbostel (Foto: U. Finck)
Stopp 11: Auch an der Thomaskirche in Hohenbostel wurde der Deistersandstein verbaut. Da die Sandsteinblöcke (vermutlich von der damaligen Kirchengemeinde) aus verschiedenen Teilen des Deisters zusammengetragen wurden und ein einheitliches Erscheinungsbild der Steinblöcke offenbar weniger wichtig war, als bei den oben genannten Gebäuden, stellt die Kirche in Hohenbostel einen spannenden und erstaunlich vielfältigen Mix der verschiedenen Sandstein-Lokalitäten im Deister dar. Sie enthalten Muschellagen, Kohlepartikel und verschiedene Schichtungstypen und weisen verschiedene Bearbeitungstechniken auf. Damit wirkt die Thomaskirche wie ein Puzzle der Geologie und Steinverarbeitung, welches durch spannenden Input von Jörg Mutterlose anschaulich entschlüsselt werden konnte.